Das Soziale konkurriert mit der Bildung

Wem nach langjähriger Ausbildung oder Berufstätigkeit etwa als Diplomingenieurin gekündigt wird, und sich nach einer gewissen Übergangszeit im Hartz-IV-System wieder findet, lernt schnell, warum bessere Schulbildung kein Patentrezept gegen Armut und Arbeitslosigkeit ist. Und Almosen ist nur ein Schmerzmittel, macht Benachteilung erträglich, aber beseitigt sie nicht. Es geht um Rechtsanprüche und um Würde. Zu den zahlreichen Menschen mit geringem Einkommen gehören keineswegs nur schlecht ausgebildete. Durch Psychologisierung und Pädagogisierung lässt sich Benachteiligung nicht wirksam bekämpfen.

 

Wenn es so gelänge, Erwerbstätigkeit und nicht marktvermittelte Tätigkeiten (z. B. Pflege eines Angehörigen bzw. ehrenamtliche und gesellschaftlich nützliche Arbeit) anzunähern, ließe sich unfreiwillige Arbeitslosigkeit reduzieren.

 

Wirtschaftsstandort vernünftig stärken

Kleinjobs sollten anständig bezahlt werden, statt Transfers ständig abzusenken. Ein gesetzlicher Mindestlohn ist wichtig, greift aber zu kurz, denn selbst ein Mindestlohn von 15 Euro führt bei geringer Stundenzahl in die Armut. Deshalb braucht es ein garantiertes Mindesteinkommen. Es würde den Staat nicht aus seiner wirtschaftspolitischen Verantwortung, noch Firmen aus der Lohnverantwortung entlassen. Wenn Mitarbeiter zufrieden sind, arbeiten sie produktiver. Insgesamt würden bürokratischer Regelungsaufwand, aber auch unkontrollierte Umwandlungsanreize zu immer mehr atypischen Prekärjobs sinken. Für Familien- und Gemeinwesenarbeit wäre durch ein Basiseinkommen mehr Zeit, weil der Zwang, geringfügige Jobs anzunehmen, sich verringerte. Die Bundesregierung sollte der "größten Sozialreform der Bundesrepublik" - den Hartz-Gesetzen - ein soziales Antlitz verleihen, um Sozialstaat und Demokratie zu festigen und den Wirtschaftsstandort vernünftig zu beleben.