Hartz - Jahresrückblicke

Die Gesellschaft wird umgekrempelt
Die Gesellschaft wird umgekrempelt

Auf welches Echo stieß die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in der Presse? Hier eine Auswahl zu Hartz IV aus jährlich etwa 4.000 Pressemeldungen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge. Sie finden Hinweise auf wissenschaftliche Studien, Äußerungen von Politikern und Kommentare deutscher Medien. Manches wirkt ernüchternd, anderes kurios oder nur unterirdisch.

Zusammengestellt sind die Headlines aus Google-Alerts.

 

Die Historie der Hartz-Gesetze beginnt mit dem sogenannte Vermittlungsskandal Anfang 2002. Die BA wies in ihren Statistiken seit Jahren viel mehr vermittelte Arbeitslose aus, als sie tatsächlich in eine Stelle vermittelt.

 

Die Öffentlichkeit war ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl 2002 geschockten. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) entlässt den Behördenleiter Bernhard Jagoda (CDU) und beruft eine Kommission aus 15 Sachverständigen unter Leitung des VW-Personalvorstandes Peter Hartz.

 

Hartz stellt die Experten-Vorschläge am 16. August 2002 im Französischen Dom zu Berlin der Öffentlichkeit vor. Das Dossier zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit umfasst 13 Module auf 343 Seiten. Nach der gewonnenen Bundestagswahl werden vier "Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (Hartz-Gesetze) verabschiedet.

 

Hartz verspricht die Halbierung der Arbeitslosigkeit auf zwei Millionen Menschen bis Mitte 2005  - eine Prognose, die sich nicht bewahrheiten soll.

 

Hartz I: Das erste "Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" tritt am 1. Januar 2003 in Kraft. In Personal-Service-Agenturen (PSAs) werden Arbeitslose eingestellt, um anschließend an Firmen verliehen zu werden. Ehemals Erwerbslosen sollen so  rasch eine reguläre Festanstellung finden. "Klebeeffekt" nennt das Kanzler Schröder.

 

Nach einer vom Bundestag beauftragten Studie sind die PSA drei Jahren nach Einführung gescheitert. Die Chancen der ausgeliehenen Arbeitnehmer auf eine Anstellung am ersten Arbeitsmarkt verschlechtern sich sogar. Ab 2005 sind die Arbeitsagenturen nicht mehr verpflichtet, jedem Bezirk eine PSA zu gründen. Das Arbeitsmarktinstrument ist seitdem bedeutungslos.

 

Hartz II: Herzstück dieses Arbeitsmarktinstruments sind ab dem Jahr 2003 die sogenannten Ich-AGs. Das zweite Hartz-Gesetz gewährt jedem Arbeitslosen. der eine selbständige Tätigkeit aufnehmen will, einen Zuschuss von maximal 600 Euro im Monat für ihr Projekt bis zu drei Jahre.

 

Die Ich-AGs lösen zwar einen Gründungs-Boom, aber auch viele Bedenken aus, die neuen Firmen können sich langfristig nicht selbst finanzieren. Erst werden die Förderregeln verschärft und dann beschließen SPD und CDU im Jahr 2006, die Ich-AGs durch einen Gründerzuschuss zu ersetzen.

 

Mit Hartz II wird ausßerdem die Verdienstgrenze für Minijobs von 325 auf 400 Euro erhöht. Minijobber brauchen weder Steuern noch Sozialabgaben abführen, Arbeitgeber zahlen einen leicht erhöhten Pauschalbeitrag von 25 Prozent. Heute sind es etwa sieben Millionen solcher Arbeitsverhältnisse. Zusätzlich sind die Stellen allerdings nicht entstanden. Vielmehr konnten Firmen durch diese Lohnsubvention im großen Stil reguläre, sozialversicherungspflichtige Jobs in mehrere Minijobs aufteilten So wurde am Arbeitsmarkt eine Zwei-Klassen-Gesellschaft befördert.

 

Hartz III: Die Bundesanstalt für Arbeit wurde Anfang 2004 in Bundesagentur für Arbeit umbenannt. Der Leiter heißt Frank-Jürgen Weise. Studien bescheinigen der BA, dass sie nun effizienter und transparenter arbeitet.

 

Hartz IV: Nach zähem Ringen im Vermittlungsausschuss des Bundestages wird es Anfang 2005 verabschiedet. Die neue Sozialleistung heißt Arbeitslosengeld II und ersetzt die bisherige Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für Erwerbsfähige. Drei Reformziele werden genannt: Senkung der Arbeitslosenzahlen, Entlastung der Verwaltung, sowie Fördern und Fordern der Arbeitslosen. Kein Gesetz der Regierung Schröder löst so heftigen Widerstand in der Bevölkerung aus wie das Hartz-IV-Gesetz.

 

Die als Ein-Euro-Jobs bezeichneten Arbeitsgelegenheiten gibt es zwar bereits seit Jahrzehnten im Sozialrecht, aber sie werden als Symbol für die neue Kälte in der Arbeitsmarktpolitik empfunden.

 

Die SPD muss bei vielen Landtagswahlen herbe Verluste einstecken. Doch die Reform bleibt weit gehend unverändert. Die Agenda-2010-Politik wird von der Bevölkerung nicht angenommen. Nach der verlorenen Wahl in Nordrhein-Westfalen verkündet Schröder vorgezogene Bundestagswahlen.

 

Die Hartz-Gesetze bleiben weiter umstritten.

Ein kurzer Rückblick: Das Arbeitslosengeld II wurde 2005 eingeführt. Zunächst soll es nicht darum gehen zu bewerten, ob Hartz IV ungerecht oder schlecht gemacht oder ungerechtfertigt war. Allerdings waren Ausrichtung und Umsetzung der Hartz-Gesetze fragwürdig. Politiker haben hart daran gearbeitet, die Arbeitsmarktreform scheitern zu lassen, indem sie den Niedriglohnsektor ausweiteten, ein teils verfassungswidriges und selbst für Fachleute unverständliches Gesetz schufen. Die Bundesagentur für Arbeit verschärfte das Durcheinander. Jobcenter und Kommunen übertrafen sich mit Sanktionen und Kontrollmechanismen für Arbeitslose. Sachbearbeiter sind überfordert, EDV-Systeme unzureichend. Regelsätze sind weder transparent noch ermöglichen sie gesellschaftliche Teilhabe. Selbst Jahre nach Einführung von Hartz IV ebbt die Klageweille vor den Sozialgerichten nicht ab.

 

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen regte an, einen anderen Namen für Hartz IV zu fi nden. Doch was ändert ein neues Etikett am bestehenden Unrecht? Eine Rückrufaktion wäre angemessener.

Viel Spaß beim Lesen.

zusammengestellt aus: Google-Alerts